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Die kleine Geschichte, die Schwalben
Es war an einem schönen Maitag im Jahre 2003. Wir
wanderten auf Rügen von Putbus über Lauterbach an der
Boddenküste entlang nach Groß Stresow und von dort nach
Seelvitz zur Bedarfshaltestelle der Rügener Kleinbahn, dem
"Rasenden Roland". Bedarfshaltestelle deshalb, weil der
Zug hier nur hält, wenn jemand auf dem Bahnsteig steht, wenn
der Lokführer nicht blind ist oder nicht gerade woanders hinsieht,
wie man uns erklärt hat. Nicht dass wir erschöpft waren,
aber eine kleine Rast auf einer Bank wäre schon ganz angenehm.
Die einzige Bank weit und breit stand in dem kleinen Wartehäuschen,
ein Fachwerkbau mit Spitzdach und zwei ineinander übergehenden
Räumen. War das nicht schön, endlich mal zu sitzen ! Doch
was ist das ? Vogelgezwitscher im Häuschen ? Wo die Vögel
wohl sitzen ?
Die Neugier trieb uns in den hinteren Raum des Wartehäuschens.
Er war abgedunkelt, da die Fensteröffnungen mit schräg
stehenden Holzlamellen verschlossen waren. Nichts war zu sehen.
Also rum um's Gebäude. Und siehe da, in einer Lamelle ganz
unten lugten ein paar Strohhalme heraus. Also wieder rein ins Gebäude
und da war es, das kleine Vogelnest mit sechs jungen Vögeln.
Im Blitzlicht des Fotoapparates rissen sie ihre kleinen Mäuler
auf, ein "riesiger" roter Schlund, gelb umrandet. Wir
wollten nicht länger stören und verzogen uns nach draußen.
Im respektvollen Abstand ließen wir uns auf der Bahnsteigkante
nieder, die Füße auf die Schienen gestellt. War ganz
gefahrlos, da der "Rasende Roland", eine Schmalspur-Dampfeisenbahn
ja mit Gefauche und Getöse kommt, man sie also nicht überhören
kann. Aber was ist das ? Irgendetwas sitzt uns im Genick ! Jedenfalls
fühlten wir das so. Und für wahr, auf dem Telegrafendraht
hinter uns saßen zwei Schwalben und starrten uns an. Wir glaubten
sogar zu hören, wie sie dachten: "Was wollen DIE denn
hier ? Sind die gefährlich ?"
Wir rührten uns nicht von der Stelle und
nach geraumer Zeit erhob sich eine der Schwalben, flog dreimal um
das Wartehäschen herum und setzte sich wieder auf den Telegrafendraht.
Anschließend flog auch die zweite um das Gebäude herum.
Wir blieben weiter still sitzen und die erste Schwalbe fasste Mut,
flog auch ums Gebäude und dann Schwupp die Wupp rein ins Häuschen
und ganz schnell wieder heraus und zurück auf den Telegrafendraht.
Auch die zweite Schwalbe besuchte kurz das Gebäude. "Ist
wohl doch nicht gefährlich", hörten wir sie denken,
"wollen wir ganz mutig sein ? Ja !" Und schon startet
die erste Schwalbe, fliegt einen großen Bogen und rein ins
Häuschen. Im Häuschen geht es aber nicht geradewegs durch
die Türöffnung zum Nest. Nein, erst mal hoch in den Dachgiebel
und dann ? Die jungen Vögel fangen an zu zwitschern, also ist
die Schwalbe bei ihnen.
Nach einer geraumen Zeit kommt Schwalbe Nummer 1 wieder heraus und Schwalbe Nummer 2 fliegt hinein. Da faucht es hinter dem
Hügel und unser Zug kommt. Der Lokführer ist nicht blind, sieht auch nicht woanders hin und der Zug hält. Wir
steigen ein und auf dem Bahnsteig in Seelvitz tritt die wieder gewohnte Ruhe ein. "Endlich seid ihr weg !" hören
wir die Schwalben zum Abschied noch denken. |
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