Gärten und Gartenreiche
18. bis 21. Juli 2004
Mit dem Park von Wörlitz schuf der Fürst ab 1764 den
ersten Landschaftsgarten im englischen Stil auf dem Kontinent. Das Terrain
umfasst etwa 112 ha und liegt direkt an den Elbauen. Die fließenden
Grenzen der Anlagen leiten den Blick hinaus in die parkähnliche
Landschaft der Auenwälder. Unmittelbar, ja sogar mitten in den
Anlagen befinden sich noch heute landwirtschaftliche Nutzflächen.
Der pflügende und erntende Bauer gehörte mit zu den pädagogischen
Intentionen des Fürsten, der "belehren und nützlich seyn"
wollte.
Für uns Besucher wird es vor allem darauf ankommen, die Gärten ähnlich wie literarische Texte "lesen" zu lernen. Aus einer gewöhnlichen Schneise wird ein Durchblick, der bedeutungsvoll Kirche und Synagoge verbindet, oder eine Weggabelung verlangt eine geradezu schicksalhafte Entscheidung. ![]() Zwischen Landschaftsgarten und Ort steht das Schloss mit seinen Nebengebäuden. In Form eines englischen Landhauses errichtet, diente es dem Fürsten als Sommersitz. Die Vorlage könnte das Schloss Claremont in der englischen Grafschaft Surrey gewesen sein. Die im Barock typischen Kavalierstrakte fehlen hier jedoch gänzlich. In einem separaten Küchengebäude wurden die Speisen hergerichtet und durch einen unterirdischen Gang ins Schloss gebracht. Heute befindet sich in dem Gebäude eine Gaststätte. Der angrenzende Kirchhof gibt die Begeisterung wieder, die der Fürst für die Backsteinarchitektur des Ostseeraums und Englands hegte. Ein schönes Beispiel ist die Wörlitzer St. Petri-Kirche mit ihren 66 Meter hohen markanten Kirchturm. Gegenüber dem Küchengebäude steht das "Graue Haus", eine unmittelbare Umsetzung eines Reiseeindrucks. Das Vorbild war das Gebäude "Sheffild Place" in der englische Grafschaft Sussex. Als Fürst Franz außereheliche Beziehungen zu Luise Schoch pflegte, zog seine Gemahlin in das Graue Haus. Unweit des Grauen Hauses befindet sich auf einem künstlich aufgeschütteten Hügel direkt am Ufer des Wörlitzsees die Synagoge. Eine Vorlage für dieses klassizistische Bauwerk wurde in Gestalt des am Tiber bei Rom gelegenen Portunus Tempels gefunden. Die Aufnahme dieses Bauwerks in das Gesamtkonzept wird als Indiz für die Toleranz des Fürsten in Glaubensfragen gedeutet. Einen Einblick in die Gestaltung des Kirchhofes bietet ein Video, das mit einem Klick auf den Kirchturm geöffnet werden kann.
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