Lisdoonvarna
liegt am südlichen Ende des Burren. Burren bedeutet übersetzt
„Steiniger Ort“ oder „Felsen“. Der Eroberer
Oliver Cromwell charakterisierte 1649 den Burren wie folgt: „Kein
Baum, an dem man einen Mann aufhängen, kein Tümpel, worin
man ihn ersäufen, keine Erde, in der man ihn verscharren könnte.“
Aber wo ist diese Karstlandschaft? Hier in Lisdoonvarna können
wir das nicht erkennen. Grüne Wiesen auf den Hügeln und
Bäume in den Flusstälern. Also steigen wir in den Bus
und fahren ins Kerngebiet des Burren.
Schaut, wie eng die Straßen sind. Es sieht aus, als ob der
Bus die gesamte Straßenbreite einnimmt.
Wir
fahren direkt an die Küste und dort ist sie, die karge Kalkstein-Landschaft.
Hier, diese versteinerten Muschen zeigen uns, dass das Gelände
ursprünglich unter dem Meeresspiegel lag. Vor etwa 270 Mio.
Jahren wurde es angehoben. Wind und Regen nagen seitdem an den Felsen
und es bildeten sich diese Spalten, die wir hier sehen. An der Küste
nagt der Atlantische Ozean am Kalkstein. Schaut, wir zerklüftet
es hier aussieht.
Es ist eine einzigartige Karstlandschaft. Vergleichbare Landschaften
befinden sich auf der schwedischen Insel Öland, sowie im Kanadischen
Ontario.
Die Landschaft die wir hier sehen mag karg und öde wirken.
Bei näherem Hinsehen offenbart sie nicht nur einen bizarren
Reiz, sondern auch eine ungewöhnliche Vielfalt an mediterranen,
alpinen und sogar arktischen Pflanzen. Es ist jetzt August und die
meisten Orchideenarten sind bereits verblüht, sodass wir davon
nicht allzu viel zusehen bekamen.
Vor
150 tausend Jahren schoben sich Gletscher über das Land und
ließen bei ihrem Abschmelzen große Felsbrocken zurück,
so wie diesen hier.
Die spärliche Vegetation besteht hauptsächlich aus
Gräsern, Kräutern, Moosen und Flechten. Bäume gibt
es hier kaum.
Die
fehlenden Bäume zwangen die Grundbesitzer für die Begrenzungen
ihrer Felder anderes Material zu verwenden. Was lag da näher,
sie nahmen die Steine, die hier in Hülle und Fülle herumlagen.
So entstanden diese Mauern, die wir hier überall sehen.
Sogar auf dem kaum bewachsenen Hügel dort in der Ferne können
wir diese erkennen. Das scheint unsinnig. Uns wurde dazu berichtet,
dass während der großen Hungersnot, unter anderem hervorgerufen
durch die Kartoffelfäule, einige Landbesitzer die Iren mit
dem Bau von Mauern beschäftigten. Viele Iren, etwa 1,5 Millionen,
wanderten damals jedoch nach Amerika aus, das war um 1850.
So,
hier haben wir die Sanddünen von Fanore erreicht. Der Sandstrand
und die Dünen sind untypisch für die irische Küste.
Und hier mündet auch der einzige Fluss des Burren, der vollständig
oberirdisch fließt in den Atlantischen Ozean.
Den
Fluss haben wir nicht gesehen, aber hier irgendwo zwischen den Felsen
strömt er ins Meer. Im Landesinneren soll er so aussehen. Im
Gebiet des Burren gibt es noch weitere Flüsse. Sie fließen
jedoch unterirdisch und sind somit nicht zu sehen. Auch an der Küste
strömen sie unterirdisch ins Meer und erzeugen dort Unterströmungen,
die das Baden, besonders bei starker Brandung, zu einer Gefahr werden
lassen.
Die Dünen von Fanore sollen bereits in mesolithischer Zeit,
also um 9.000 vor Christi, Siedlungsgebiete gewesen sein. Abfallhaufen,
Beil- und Faustkeilfunde weisen darauf hin. Diese Fundstücke
der Vergangenheit haben wir nicht zu Gesicht bekommen, sie liegen
wahrscheinlich irgendwo in einem Museum.
Im Gebiet des Burren gibt es jedoch eine große Anzahl vor-
und frühgeschichtlichen Monumenten, die noch an ihrem Fundort
stehen. Es sind Dutzende von Dolmen und Hunderte von Ringforts,
sowie die Überreste einiger Kathedralen aus dem Mittelalter.
Diese
Zeugnisse der Vergangenheit lassen den Schluss zu, dass hier schon
immer Menschen gelebt haben.
Wir sind neugierig und begeben uns zu einem der vorgeschichtlichen
Steinzeitgräber, dem Poulnabrone Dolmen. Wir fahren an der
Küste entlang, vorbei an einem Castle. Im nächsten Ort
biegen wir ab. Links taucht jetzt ein Ringfort auf und nach wenigen
100 Metern haben wir unser Ziel erreicht.
Der Poulnabrone Dolmen ist ein Portalgrab. Das heißt, auf
zwei aufrechten Steinen liegt ein gewaltiger Deckstein. Dieses vermittelt
auf der Vorderseite den Eindruck eines Türrahmens. Ursprünglich
war der Dolmen mit einem Steinhügel bedeckt.
Dieser wurde 1986 abgetragen und das Grab geöffnet. Man fand
die Knochen von 22 Personen; sechzehn Erwachsen und sechs Kinder.
Der älteste der Erwachsenen war gerade mal 40 Jahre alt geworden,
als er starb. Die anderen hatten noch nicht einmal das Alter von
30 Jahren erreicht. Die Kinder starben im Alter zwischen 5 und 15
Jahren. Das Grab wurde in der Jungsteinzeit genutzt, das bedeutet
zwischen 3.800 und 3.600 vor Christi.
Wir
befinden uns immer noch im Gebiet des Burren. Schaut den nackten
Fels und dazwischen in den Spalten die Pflanzen, die hier geschützt
vor dem Wind gedeihen.
Einen Dolmen und ein Ringfort haben wir gesehen. Jetzt fehlt nur
noch eine Kathedrale. Wir fahren nach Kilfenora. Hier steht sie,
die Kathedrale mit dem 800 Jahre alten Hochkreuz, dem "Doorty
Cross".
Ein Hochkreuz oder auch Keltenkreuz ist ein Element der mittelalterlichen
sakralen Kunst im keltischen Kulturraum. Es ist ein Balkenkreuz,
meist aus Stein gehauen, bei dem um den Schnittpunkt der Balken
ein Ring liegt.
Im
Unterschied zu den übrigen Hochkreuzen ist bei dem Kreuz in
dieser Kathedrale der Kreuzring nicht durchbrochen. Was ist auf
dem Hochkreuz zu sehen?
Auf der einen Seite ist eine Figur mit einem Bischofsstab dargestellt
- vielleicht der heilige Petrus in seiner Eigenschaft als Bischof
von Rom, vielleicht Christus als Abt der Erde. Die zwei kleineren
Figuren mit den ineinander verschlungenen Armen sind entweder ein
Bischof und der Abt des Klosters oder Kirchenväter, die von
Christus die Anweisung erhalten, den Teufel zu bekämpfen, der
zu ihren Füßen in Form eines Vogels ein Tier verschlingt.
Die andere Seite zeigt den gekreuzigten Christus über einem
Wikinger-Ornament, an dessen unteren
Ausläufern
sich ein reitender Mann festhält - möglicherweise Jesus
beim Einzug nach Jerusalem. So werden die Symbole auf dem Kreuz
gedeutet.
Draußen vor der Kathedrale steht ein Hochkreuz mit einem durchbrochenen
Kreuzring.
Das war ein Streifzug durch das Gebiet des Burren. In wenigen Minuten
werden wir Lisdoonvarna, des Ausgangspunkt unserer Tour erreicht
haben.